Rückforderungsausschluss bei vorbehaltlos gezahlten Gewerberaummieten… oder doch nicht?

Einleitung

Im Gewerberaummietrecht kann im Gegensatz zum Wohnraummietrecht vertraglich weitreichend von den gesetzlichen Regelungen abgewichen werden. In den aktuellen Gewerberaummietverträgen hat sich inzwischen eine sogenannte „Minderungsausschlussklausel“ durchgesetzt. Dabei wird das Minderungsrecht des Mieters unter Verweis auf ein Rückforderungsrecht insoweit ausgeschlossen, als dass ein Minderungsrecht nicht unstreitig oder rechtskräftig festgestellt ist. Der Mieter ist daher zunächst vertraglich gehalten, die volle Miete trotz des Wissens um die Mangelhaftigkeit zu entrichten und die überzahlte Miete zu einem späteren Zeitpunkt zurückzufordern.

In der Praxis kommt es in diesen Fällen häufig dazu, dass der Mieter deshalb trotz der Mangelhaftigkeit weiterhin die volle Miete entrichtet, ohne seine Zahlung unter Vorbehalt zu stellen. Fordert er dann im Nachhinein die überzahlte Miete zurück, verweigert der Vermieter eine Rückzahlung oftmals mit der Begründung, die Mietzahlung sei zuvor nicht unter Vorbehalt gestellt worden.

Die Rechtslage ist in diesen Fällen weitestgehend ungeklärt. Eine genauere Analyse bietet sich an.

 

Vorbehaltsrechtsprechung

Nach ständiger Rechtsprechung (sog. „Vorbehaltsrechtsprechung“) dürfte zunächst weitestgehend rechtssicher geklärt sein, dass eine Rückforderung überzahlter Mieten – insbesondere im Gewerbemietrecht – nach § 812 Abs.1 Var.1 BGB wegen § 814 Alt. 1 BGB dann ausgeschlossen ist, wenn sie trotz Kenntnis des Mietmangels weiterhin vorbehaltslos an den Vermieter bezahlt wird.

In diesen Fällen geht die Rechtsprechung davon aus, dass derjenige, der zur Leistung nicht verpflichtet ist und trotzdem leistet, sich widersprüchlich verhält und deshalb mit einer Rückforderung ausgeschlossen ist. Dies soll bei der Rückforderung überzahlter Mieten dann angenommen werden, wenn der Mieter Kenntnis über die Minderungsbefugnis aufgrund des gerügten Mangels hat und nach der maßgeblichen Parallelwertung in der Laiensphäre eine zutreffende rechtliche Schlussfolgerung hieraus zieht. Dies wird regelmäßig anzunehmen sein, da im Gewerberaummietrecht durch die Annahme des Anscheinsbeweises – abweichend von den Grundsätzen der Beweislast – zugunsten des Vermieters eine Beweislastumkehr angenommen wird. Der rückfordernde Mieter hat diesen zu entkräften, was regelmäßig nicht möglich sein wird. Der Vermieter kann sich dann auf § 814 Alt.1 BGB berufen, sodass die gezahlte und nicht unter Vorbehalt gestellte Miete nicht mehr nach § 812 Abs.1 Var. 1 BGB herausverlangt werden kann.

 

Vorbehaltsrechtsprechung im Licht der Minderungsausschlussklausel

Das Vorbeschriebene gilt allerdings nach hier vertretener Einschätzung ohne Weiteres nur dann, wenn vertraglich keine Minderungsausschlussklausel vereinbart wurde, die den Mieter auf sein Recht der Rückforderung verweist. Weitestgehend unklar ist bisher jedoch, ob die vorbeschriebene Vorbehaltsrechtsprechung auch im Anwendungsbereich einer Minderungsausschlussklausel umfassend angewandt werden kann.

Hiergegen sprechen durchaus gute Argumente.

So ist davon auszugehen, dass für den Einwand des § 814 BGB im Anwendungsbereich einer vertraglichen Minderungsausschlussklausel kein Raum ist, da insoweit schon die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. § 814 BGB setzt nämlich voraus, dass zum Zeitpunkt der Leistung keine Verbindlichkeit bestand. So tritt zwar gemäß § 536 Abs. 1 S. 1, 2 BGB die Mietminderung automatisch kraft Gesetzes ein, dieser Gesetzesautomatismus wird jedoch mit Aufnahme einer Minderungsausschlussklausel abbedungen. Denn hiernach tritt die Mietminderung erst in dem Zeitpunkt ein, in dem der Mangel entweder vom Vermieter anerkannt oder gerichtlich festgestellt worden ist. Die Mietminderung ist damit vertraglich aufschiebend bedingt. Zum Zeitpunkt der Leistung besteht jedoch (noch) keine Verbindlichkeit. Es fehlt damit bereits das nach § 814 BGB erforderliche Tatbestandmerkmal der Nichtschuld.

Darüber hinaus kann im Anwendungsbereich einer Minderungsausschlussklausel nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass der Mieter in diesen Fällen die von der Rechtsprechung geforderte Rechtskenntnis und das Bewusstsein von seiner Nichtschuld in der Laiensphäre hat. Vielmehr muss der Mieter bei Vorliegen einer Minderungsausschlussklausel davon ausgehen, dass er aufgrund der vertraglichen Regelung zur ungekürzten Mietzahlung verpflichtet ist. Dies dürfte sogar dann anzunehmen sein, wenn sich die Klausel als unwirksam und damit nicht in den Vertrag einbezogen herausstellt. Denn in der Regel ist auch im Gewerberaummietrecht nicht davon auszugehen, dass sich dem Mieter die Unwirksamkeit einer solchen Vertragsklausel aufdrängen musste.

Letztlich dürfte zudem unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten und einer insoweit vorzunehmenden interessengerechten Auslegung nach dem Grundsatz der Leistungsäquivalenz jede Zahlung in Ansehung der Klausel nur als vorläufig angesehen werden. Eine zugunsten des Verwenders beschränkte Minderungsbefugnis lässt sich nämlich nur dann mit gesetzlichen Wertungen vereinbaren, wenn zugunsten des Vertragspartners dann auch ein (stets erklärter) Rückforderungsvorbehalt für überzahlte Mieten in die Klausel hineingelesen wird.

 

Fazit

Nach Überzeugung des Autors dürfte in Fällen, in denen zugunsten des Vermieters eine Minderungsausschlussklausel unter Verweis auf das Recht zur Rückforderung vereinbart wird, eine Rückforderung vorbehaltlos gezahlter Mieten nicht unter Berufung auf den Rückforderungsausschluss nach § 814 BGB ausgeschlossen sein. Dies gilt in der Regel unabhängig davon, ob es sich um eine wirksam vereinbarte Minderungsausschlussklausel handelt oder nicht. Der Mieter dürfte entsprechend also auch vorbehaltlos gezahlte Mieten zurückfordern können.