Neues BFH-Urteil zu Cum-Ex: Cum-Ex-Geschäfte steuerrechtlich unzulässig

Neues BFH-Urteil zu Cum-Ex: Cum-Ex-Geschäfte steuerrechtlich unzulässig

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte bereits mit Urteil vom 28. Juli 2021
(Urt. v. 28.07.2021 – Az. 1 StR 519/20) entschieden, dass die der breiten Öffentlichkeit als sog. „Cum-Ex-Geschäfte“ bekannten Steuermodelle strafrechtlich als Steuerhinterziehung zu werten sind. Dieser Einschätzung ist nun auch der Bundesfinanzhof (BFH) mit seiner jüngst ergangenen Entscheidung vom 15. März 2022 gefolgt und hat in seinem Urteil die mehrfache Erstattung von nur einmal abgeführten Steuern auf Kapitalerträge (Aktiendividenden) ebenfalls als steuerrechtlich unzulässig bewertet.

Dem Verfahren lag die Revision eines von der Kapitalertragsteuer befreiten
US-amerikanischen Pensionsfonds gegen ein Urteil des Finanzgerichts (FG) Köln
(Urt. v. 19.07.2019 – Az. 2 K 2672/17) zugrunde. Das FG Köln hatte seinerzeit die Klage gegen die Staatskasse wegen verweigerter Erstattung von (vermeintlich zu unrecht einbehaltener) Kapitalertragsteuer in Höhe von 27 Millionen Euro abgewiesen und den Erstattungsantrag des Pensionsfonds als steuerrechtlich unzulässigen Versuch bewertet, eine mehrfache Erstattung einer nur einmalig abgeführten Steuer zu erhalten. Der Pensionsfonds hingegen argumentierte unter Berufung auf ein früheres Urteil des BFH und seine vermeintliche Stellung als wirtschaftlicher Eigentümer
(§ 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO) der Dividenden berechtigenden Aktien, dass ihr die begehrte Steuererstattung legal zugestanden habe.

Der I. Senat des BFH wies die Revision des klagenden Pensionsfonds vollumfänglich ab und verneinte unter ausdrücklicher Bezugnahme auf seine frühere Rechtsprechung die Stellung des Pensionsfonds als wirtschaftlicher Eigentümer im Sinne der Abgabenordnung (AO) und damit auch die Steuererstattungsberechtigung für vermeintlich abgeführte Kapitalertragsteuer. Das „Geschäftskonzept“ sei ausschließlich darauf ausgerichtet, „Unsicherheiten bei der eindeutigen wirtschaftlichen Zuordnung von Aktien in der Weise [nutzen zu wollen], dass eine einmal einbehaltene Abzugsteuer vom Fiskus möglicherweise zweifach oder sogar mehrfach angerechnet oder ausgezahlt wird“. Die Teilnahme an einem solchen Geschäftskonzept begründe nicht die Stellung als wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien, sodass hieraus auch kein Erstattungsanspruch erwachsen könne.

Damit dürfte nun Klarheit herrschen. Die Durchführung sog. „Cum-Ex-Geschäfte“ stellt sowohl nach Auffassung der Strafgerichte als auch der Finanzgerichte ein den Tatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) erfüllendes Steuermodell dar. Das jedenfalls aus heutiger Sicht, über 10 Jahre nach dem relevanten Zeitraum, den es zu beurteilen galt. Bei denjenigen, die nach wie vor noch auf die steuerliche Anerkennung dieser Geschäftsmodelle durch den Bundesfinanzhof gehofft hatten, dürfte durch das Urteil jedenfalls Ernüchterung eingekehrt sein. Zukünftig wird es somit aller Wahrscheinlichkeit nach im Rahmen ausstehender Steuerstrafverfahren wegen
„Cum-Ex-Geschäfte“ – wie zu erwarten – wohl maßgeblich auf klassische Kernfragen des Strafrechts ankommen. In den Fokus zukünftiger Strafverteidigung werden bei der Beurteilung strafrechtlicher Verantwortlichkeiten deshalb aller Voraussicht nach die Aufarbeitung der individuellen Beteiligung und Kenntnis der Beschuldigten, mögliche Irrtumsgesichtspunkte, insbesondere bei Vertrauen auf fachliche Einschätzungen von Steuerberatern und -anwälten, sowie Fragen der prozessualen Beweisbarkeit zu rücken sein.