Europaweite Lieferketten-Compliance in Sichtweite

Am 15. März 2024 haben sich die Ständigen Vertreter der Mitgliedsaaten auf einen – zum vorherigen Vorschlag entschärften – Kompromiss für die Europäische Lieferketten-Richtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD oder auch CS3D) geeinigt. Die deutschen Vertreter hatten sich – insbesondere aufgrund der Unstimmigkeiten innerhalb der Ampelkoalition – mit ihrer Stimme bei der Abstimmung enthalten. Zwar muss der Kompromisstext noch vom Rat der Europäischen Union verabschiedet und die Richtlinie sodann vom Europäischen Parlament angenommen werden; beides gilt jedoch als sehr wahrscheinlich. Mit einem Abschluss des Prozesses wird Ende April 2024 gerechnet. Sodann haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht zu überführen.

Was kommt auf deutsche Unternehmen zu?

Viele deutsche Unternehmen haben bereits seit dem vergangenen Jahr mit Lieferketten-Compliance zu tun. Sei es als unmittelbarer Adressat des am 1. Januar 2023 in Kraft getretenen deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) oder indirekt in ihrer Eigenschaft als Zulieferer eines unmittelbar verpflichteten Unternehmens.

  • Adressatenkreis

Das deutsche LkSG verpflichtete zunächst Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten zur Beachtung näher definierter menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten entlang ihrer Lieferkette; im Januar 2024 ist die Schwelle auf 1.000 Beschäftigte herabgesunken.

Auch die europäische CS3D sieht gestaffelte Schwellenwerte vor, ist hierbei jedoch – im Ergebnis – deutlich restriktiver als das LkSG: Zunächst sollen, was in der EU ansässige Unternehmen betrifft, lediglich Unternehmen mit 5.000 Beschäftigten und einem weltweiten Jahresnettoumsatz von über 1,5 Milliarden Euro verpflichtet werden und sich der Anwendungsbereich in den Folgejahren schließlich auf Unternehmen von über 1.000 Beschäftigten und einem weltweiten Jahresnettoumsatz von 450 Millionen Euro erweitern.

  • Sorgfaltspflichten

Deutsche Unternehmen sind, sofern sie dem Anwendungsbereich des LkSG unterfallen, bereits heute zu folgenden Schritten verpflichtet:

  • Einrichtung eines Risikomanagements und Durchführung jährlicher und anlassbezogener Risikoanalysen
  • Abgabe einer Grundsatzerklärung über die Menschenrechtsstrategie
  • Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich und gegenüber den unmittelbaren Zulieferern
  • Ergreifung von Abhilfemaßnahmen bei festgestellten Rechtsverstößen im eigenen Geschäftsbereich oder bei unmittelbaren Zulieferern
  • Anlassbezogene Umsetzung der Sorgfaltspflichten ggü. mittelbaren Zulieferern
  • Einrichtung eines unternehmensinternen Beschwerdeverfahrens
  • Fortlaufende Dokumentations- und jährliche Berichtspflicht über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten

Die CS3D sieht ebenfalls die Einrichtung eines Risikomanagementsystems, die Durchführung von Risikoanalysen, das Ergreifen von Präventions- bzw. Abhilfemaßnahmen, die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens sowie eine Berichtspflicht vor. Weitergehend als das LkSG erstrecken sich die Sorgfaltspflichten jedoch grundsätzlich – und nicht nur anlassbezogen – auch auf die mittelbaren Geschäftspartner, zu denen keine eigene Vertragsbeziehung besteht. Zudem dürfte der vom CS3D in den Blick genommene Bezugspunkt der Sorgfaltspflichten, die sogenannte Aktivitätenkette („Chain of Activities“), in Einzelfällen über den Anwendungsbereich der vom LkSG erfassten „Lieferkette“ hinausgehen und damit den Radius der Sorgfaltspflichten erweitern.

  • Neu: Klimaschutz

Deutlich über das LkSG hinaus geht die Vorgabe, dass Unternehmen explizit zu Klimaschutzmaßnahmen angehalten werden und mit Blick auf die Erreichung des 1,5-Grad Ziels des Pariser Abkommens sowie die schrittweise Erreichung von Klimaneutralität in (Mit-)Verantwortung genommen werden. So müssen Unternehmen einen Plan entwickeln, wie sie im Rahmen ihres Geschäftsmodells bestmöglich zur Erreichung der vorgenannten Klimaschutzziele beitragen können.

  • Mögliche Rechtsfolgen

Der Entwurf der CS3D sieht – ebenso wie das LkSG – die Verhängung von Geldbußen gegenüber den verpflichteten Unternehmen vor. Die Geldbuße richtet sich nach dem weltweiten Nettoumsatz des Unternehmens und soll sich auf bis zu 5 % dieses Umsatzes belaufen.

Der Entwurf der CS3D sieht daneben – anders als das LkSG – auch eigene Regelungen vor, aus denen sich eine zivilrechtliche Haftung dieser Unternehmen ergeben kann. Voraussetzung hierfür ist, dass eine schuldhafte Verletzung der Sorgfaltspflichten zu einem Schaden geführt hat. In diesem Fall haften Unternehmen auch für die vollständige Entschädigung der betroffenen Personen. Ein Haftungsausschluss ist nach dem aktuellen Kompromissentwurf vorgesehen, wenn ausschließlich die Geschäftspartner in der Aktivitätenkette den Schaden verursacht haben.

Welche Auswirkungen hat die CS3D auf das LkSG?

Die CS3D muss vom deutschen Gesetzgeber zur Umsetzung in nationales Recht überführt werden. Insofern ist zu erwarten, dass das LkSG an einigen Stellen an die Vorgaben des CS3D angepasst werden wird. Hierbei steht es dem nationalen Gesetzgeber ausweislich des Kompromisstextes explizit frei, teilweise strengere oder spezifischere Anforderungen an Unternehmen zu stellen, um ein (noch) höheres Schutzniveau zu erreichen.

Fazit

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die vom CS3D verfolgten Ziele und die den Unternehmen abverlangten Maßnahmen zum Schutz von Umwelt und Menschenrechten im Großen und Ganzen bereits aus dem LkSG „bekannt“ sind. Auch wenn der Kreis der unmittelbaren Adressaten des CS3D wegen der höheren Schwellenwerte zunächst enger gefasst ist als jener des LkSG; dürfte sich die mittelbare Betroffenheit der deutschen mittelständischen Unternehmen in ihrer Eigenschaft als Geschäftspartner der unmittelbar nach dem CS3D verpflichteten Unternehmen wegen des europaweiten Anwendungsbereichs des CS3D sowie der grundsätzlichen Erstreckung der Sorgfaltspflichten auch auf mittelbare Geschäftspartner weiter erhöhen bzw. vervielfältigen.