Untreuerisiko bei Gewährung zu hoher Betriebsratsvergütung?

BGH hebt Freisprüche im Prozess um die Vergütung von Betriebsräten der Volkswagen AG auf

Ausgangslage

Das Landgericht Braunschweig hatte mit Urteil vom 28. September 2021 (Az. 16 KLs 85/19) zwei frühere Vorstände für den Bereich Personal und zwei frühere Personalleiter der Volkswagen AG vom Vorwurf der Untreue wegen überhöhter Vergütung von Betriebsratsmitgliedern freigesprochen. Hintergrund der Entscheidung war die Gewährung von monatlichen Entgeltzahlungen und freiwilliger Bonuszahlungen an Betriebsräte in Höhe von jährlich bis zu 750.000,00 €, die durch eine Umstufung der Betriebsratsmitglieder in höhere Entgeltgruppen ermöglicht worden sind.

Nach Ansicht des Landgerichts Braunschweig sei mit Bewilligung der gezahlten Gehälter und Boni die nach §§ 37, 78 BetrVG bestehenden Grenzen für ein Begünstigungsverbot der Betriebsräte überschritten und damit der objektive Tatbestand der Untreue verwirklicht. Allerding sei dies den Angeklagten nicht bewusst gewesen, da sie sich u.a. auf die Einschätzungen ihrer rechtlichen Berater verlassen haben und davon ausgehen durften sich im Rahmen des bestehenden Vergütungssystems zu bewegen. Sie handelten nach Ansicht des Landgerichts daher irrtümlich und insoweit ohne Vorsatz.

Die Begründung der Entscheidung ist in der Praxis, vor allem hinsichtlich der tatbestandlichen Annahme einer Untreue, nicht ohne Kritik geblieben. Der Bundesgerichtshof knüpft mit seinen Revisionsentscheidungen nicht nur dort, sondern auch an der Entscheidung zum Irrtum an.

 

Entscheidung des BGH

Mit Urteil vom 10. Januar 2023 hat der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs die Freisprüche des Landgerichts Braunschweig aufgehoben (Az. 6 StR 133/22). Die Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor; aus der Pressemeldung kann man aber das Folgende schließen:

Das Landgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass eine Untreue objektiv vorliegen kann, wenn ein Leitungsorgan einem Betriebsratsmitglied ein überhöhtes Arbeitsentgelt gewährt.

Zur Feststellung des tatbestandlichen Verstoßes gegen die anzuwenden betriebsverfassungsrechtliche Grundsätze und eines die Freisprüche tragenden Irrtums seien die Feststellungen des Landgerichts Braunschweig hingegen nicht ausreichend. Insbesondere fehlen Feststellungen zu folgenden Aspekten:

  • System der Vergütung von Angestellten bei der Volkswagen AG (generell)
  • Bestehende Kriterien für die Einordnung in Entgeltgruppen
  • Geltende Regeln zum Aufstieg in höhere Entgeltgruppen
  • Maßstäbe bzgl. der Entscheidung über die Gewährung von Bonuszahlungen

Der Bundesgerichtshof hat die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Braunschweig zurückverwiesen. Hier werden insbesondere die Grundlagen der Entscheidung zur Einordnung in die Entgeltgruppen näher untersucht werden müssen. Dass dies – nicht zuletzt da die Entscheidungen anwaltlich begleitet wurden – eine gewisse Brisanz enthält, liegt auf der Hand.

 

Fazit

Auch wenn die Entscheidungsgründe noch nicht veröffentlicht sind, wird aus der Pressemeldung und die ausdrückliche Bezugnahme auf die betriebsverfassungsrechtlichen Grundsätze des BetrVG eines deutlich: Sowohl bei Bewertung des Vorliegens des objektiven Tatbestandes als auch hinsichtlich des Irrtums dürfte auf die in der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur anerkannten Grundsätze abzustellen sein. Hiernach erfordert die tarifliche Höhergruppierung unter anderem eine anhand der bestehenden Regelungen und Betriebsüblichkeit zu bewertende sachliche Grundlage. Ist das nicht der Fall, kann eine Begünstigung vorliegen.

Hieraus können u.E. die folgenden praxisrelevanten Ableitungen getroffen werden:

  • Die Vergütungshöhe kann nicht (wie in der arbeitsrechtlichen Literatur teilweise angeführt wird) mit dem Amt als Betriebsrat als solchem begründet werden, d.h. vor allem nicht damit, dass diese als „Co-Manager auf Augenhöhe mit dem Vorstand“ behandelt werden sollen. Die Vergütung ist keine Amtsvergütung. Die Betriebsräte arbeiten ehrenamtlich. Die über die Vergütung zugestandene Karriereentwicklung der Betriebsräte muss daher nach allgemeinen Grundsätzen im Unternehmen nachvollziehbar möglich sein.
  • Leitungsorgane und Betriebsräte können dem Risiko eines Untreuevorwurfs bereits auf objektiver Ebene dadurch begegnen, dass sie die bestehenden Vergütungsregeln im Betrieb sowie die konkreten Gründe für eine Höhergruppierung auf Grundlage der konkreten Vergütungssysteme und Karrieremöglichkeiten im Unternehmen ausdrücklich und transparent dokumentieren.
  • Die Absicherung der Entscheidung der Leitungsorgane über die Betriebsratsvergütung sollte in jedem Fall durch die dokumentierte Einschätzung externer Rechtsberater abgesichert werden, um mögliche Exkulpationsmöglichkeiten auf subjektiver Ebene zu bewahren. Auch Vergütungsberatungen zu internen Karriereentwicklungsmöglichkeiten können helfen, vergleichbare Entwicklungen aufzuzeigen.
  • Die Wahrnehmung von Managementaufgaben ist „gefahrgeneigte Arbeit“. Arbeits-, dienst- und haftungsrechtliche sowie strafrechtliche Risiken sind häufig nicht direkt erkennbar. Neben kompetenter Beratung ist zwingend auch die Versicherung der Organe im Blick zu halten. Insbesondere dann, wenn der objektive Untreuetatbestand angenommen wird und – wie hier erstinstanzlich entschieden – eine Irrtumskonstellation vorliegt, wäre jedenfalls ein fahrlässiges Handeln und damit ein mögliches Eintreten der D&O-Versicherung denkbar. Zudem hilft es auch einen Strafrechtschutz in die Manager-Versicherung zu integrieren.